7. Juni 2010

Die grosse Show der Peinlichkeiten

Zum Ende dieser Woche startet in Südafrika die Fussball WM. Nachdem uns staatliche Sender wie die ARD, das ZDF, der WDR und sogar der ORF - die Ösis sind in South Africa nicht einmal dabei - seit Tagen und Woche mit diversen Spezialsendungen über Fussball psychisch auf den Grossevent einstimmen, wollte das Schweizer Fernsehen gestern Abend auch seinen Teil dazu beitragen. Mein Fazit: dieser Schuss ging nach hinten los! "Unsere Helden" war bieder, glanzlos und unterm Strich sogar peinlich.


Okay, die Idee die 30 grössten Schweizer Fussballer aller Zeiten zu bestimmen ist grundsätzlich nicht verkehrt. Schade nur, dass das Auswahlverfahren so kompliziert war, dass es weder der Moderator noch Beni National erklären konnten. Irgendwie gabs nen Schlüssel mit dem zum Beispiel ein Verteidiger aus dem Jahre 1928 die gleiche Chance auf den Gesamtsieg hätte haben sollen wie ein Stürmer aus dem Jahr 2009, zum Beispiel Alex Frei. Nur waren dann irgendwie in der Rangliste doch häufiger Offensivspieler anzutreffen als Torhüter oder Verteidiger. Egal unterm Strich haben vermutlich einfach ein Blick-Mensch, ein Tagi-Sportli und Beni Turnheer ihre Lieblingsspieler zusammengestellt. Präsentiert wurden diese dann von der neuen Allzweckwaffe vom Leutschenbach - Nik Hartmann. Sven Epiney oder Kurt Aeschbacher wollte man diese Sendung wohl nicht anvertrauen, man kennt schliesslich das schwierige Verhältnis der Fussballbranche zum Thema Homosexualität... Nun, Hartmann brachte sogar seinen Wanderhund Jabba mit ins Studio, als Deko quasi. Ein weiterer Dekorationsartikel hiess Sabina Schneebeli. Die Schauspielerin ("Die Direktorin") sass in einem roten Kleid auf dem Gästesofa und geizte mit Fachwissen. Ihre einzige und bleibende Szene war, als sie Köbi Kuhn um ein Autogramm bat. Kommentar dazu von Scherzkeks Hartmann: "Man schreibt Schneebeli, wie Schnäbeli. Einfach mit zwei E!" Ein Brüller. Wurde nicht unlängst beim SF einer entlassen wegen einem Schnäbeli?

Auf diesem Niveau bewegte sich dann auch der Rest des Abends. Da wurden die üblichen Verdächtigen (Karli Odermatt, Fritz & Monika Künzli-Kälin, Alain Suter, Köbi Kuhn) eingeladen, viel reden durften sie aber nicht. Wenn einer der Kicker mal eine lustige Geschichte von früher erzählen wollte, merkte man Hartmann die Nervosität an und es dauerte nie lange bis er dem Erzähler ins Wort fiel und das Ruder mit einem dummen Spruch an sich riss. Einzig Gilbert Gress liess sich nicht beirren und plauderte in seiner bekannten Art aus dem Nähkästchen, als dank erhielt er dafür eine halbe Grapefruit geschenkt. Ebenfalls als "Fachmann" auf dem Sofa sass der Komiker René Rindlisbacher, er fiel hauptsächlich durch übertriebenes und wiederholtes Gähnen auf. Womit er die Stimmung der Sendung auf den Punkt brachte! Da nützten auch musikalische Zwischenspiele nichts mehr: mit Fabienne Louves, einem ehemaligen Mister Schweiz, Joris Gratwohl und dem tausendsten "Bring en hei" von Baschi holt man halt auch niemandem mehr hinter dem Ofen hervor.

So plätscherte die Helden Verehrung über zweieinhalb Stunden vor sich hin. Die Geschichte vom Xam Abegglen wurde zum xten Mal wiederholt, alte Kickschuhe noch einmal aus dem Museum geholt, auf eine Torwand geballert, Würste gegessen, Benis Haare gefärbt und Autogramme verteilt. Alles herz- und emotionlos. Am Schluss wurde Stéphane Chapuisat zum besten Schweizer Natispieler erkoren. Aber auch er durfte nicht wirklich was erzählen, kaum war er auf der Bühne wurde auch Chappi mit Blumen von dieser weggejagt und die Sendung war zu Ende. Unterm Strich blieb bei mir (und es ging auch anderen Fussballfans so) nur Langeweile und Enttäuschung übrig. Dank dem undurchsichtigen Auswahlverfahren haben Charakterköpfe der Schweizer Nati-Geschichte gefehlt, ein Kubi zum Beispiel war zwar unter den Top 30 wollte aber nicht ins Studio kommen. Egli, Botteron, Stiel, Wehrli, Grassi und Co.? Fehlanzeige. All die anderen erzählten Stories waren brühwarm, aufgewärmt und 1000 Mal gehört. Dazu Nik Hartmann und seine Sofa-Gäste die - mit Ausnahme von Turnheer - weder witzig noch kompetent waren. Was einmal mehr aufzeigt dass es dem SF an guten Moderatoren fehlt. All die Kälins, Wylers, Mohrs oder Stäubles machen eben noch keinen Zeigler, Delling oder Jauch. Entsprechend wollte dann meine WM Euphorie auch nicht so wirklich aufkommen, was ja das Ziel der Sendung war. Und vom 1 zu 1 gegen das Italo B Team blieb ja diesbezüglich auch nix übrig. Aber eine knappe Woche haben wir bis zum Eröffnungsspiel noch vor uns und ich bin sicher dass die Deutschen, die Franzosen, die Engländer oder die Italiener im Radio und TV nicht locker lassen, bis das WM-Virus auch bei einer vom Abstieg gebeutelten Fan-Nase wie mir noch ausbricht. Das brave SF hats nicht geschafft und so wundert es dann auch nicht dass ich gleich im Anschluss an die Helden beim WDR "gelernt" habe, dass der grosse Pele Ehrenmitglied von Rotweiss Essen ist...

5 Kommentare:

amade.ch hat gesagt…

uiui, die sendung kommt bei Dir ja wirklich nicht gut weg. aber: ich muss dir zustimmen. das war ziemlich lahm. und immer wenn die geschichte in fahrt zu kommen "drohte", schaltete sich hartmann ein. überhaupt dieser nik. der hat jetzt wirklich gar keine ahnung, holt dafür aber wohl diverse grosis hinterm kamin hervor. warum nicht salzgeber als moderator? und am ende kriegte chapuisat kaum sprechzeit, dafür einen blumenstrauss. ich meine, das ist doch eine fussballsendung, einen blumenstrauss? wirklich?

Paddy hat gesagt…

Ich bin schon eine Stufe weiter als du. Mich kan SF nicht mehr enttäuschen, meine Erwartung-Library wird automatisch deaktiviert, wenn ich auf SF zappe. :-)

Michael hat gesagt…

Gut zusammengefasst, die Sache mit dem Schnäbeli fand ich so etwas von Peinlich vom Moderator des Fernsehens. Ein bisschen mehr Respekt gegenüber den Gästen hätte Herr Hartmann gut getan.

Anonym hat gesagt…

Die Sendung war eine Frechheit mit unseren Bilag-Geldern! Forza Italia.

S. Eckel hat gesagt…

Komiker hättest du beim ollen Rindlisbacher auch noch in Anführungszeichen setzen sollen.
Zum Glück habe ich die Sendung nicht gesehen.