20. Januar 2011

Marseille, der geilste Club der Welt

Ja klar, diese Ausssage beruht natürlich auf der Euphorie, dass sich Olympique de Marseille gestern Abend für das Finale des Coupe de la Ligue im Stade de France qualifiziert hat. In Paris übrigens, der meist gehassten Stadt für jeden OM-Fan. Okay, es ist "nur" der Ligacup. Nach der Meisterschaft und dem Coupe de France der drittwichtigste Wettbewerb im französischen Fussball. Aber egal, immerhin ist Marseille Titelverteidiger und das Spiel im grössten Stadion Frankreichs wird am 23. April mit weit über 70'000 Fans ausverkauft sein. Und schliesslich ermöglicht ein Pokalsieg den direkten Einzug in die Euroliga - sofern es mit der Champions League nicht klappen sollte. 


Das tolle an diesem Sieg von gestern Abend ist ja, dass er mal wieder typisch war für OM-Verhältnisse. Noch vor 10 Tagen ist man im französischen Cup gegen Evian ausgeschieden. Ja genau, das Evian das eher für Mineralwasser denn für Fussball bekannt ist. Spott und Häme liessen natürlich nicht lange auf sich warten, der Meister 2010, Ligacup- und Supercupgewinner, CL-Teilnehmer verliert gegen die Amateure vom Genfersee. In Marseille selber gab man erst einmal dem schlechten Platz schuld und danach den Spielern. Allen voran rückten Gignac und Brandao in die Kritik der Fans. Und wer die OM-Fans (und Medien) kennt weiss, da geht man nicht gerade zimperlich um mit den Akteuren. Aber, beide Stürmer haben bis dahin wirklich schlecht ausgesehen, je 1 Tor seit Beginn der Saison. Das ist nicht viel, vorallem wenn man bedenkt mit welchen Vorschusslorbeeren Gignac im Vélodrôme angekommen ist.

Nun gut, eine Woche Schelte vom allerfeinsten und am Sonntag ging es dann weiter in der Liga. Zu Gast war Bordeaux, ein durchaus starker Konkurrent. Und wer schoss die Tore zum Sieg? Genau, Gignac und Brandao. Auf einmal wurden sie von den Fans (und den Medien) wieder geliebt und auf Händen getragen. So sehr, dass sie Trainer Deschamps gestern in die Startelf berufen hat. Das Halbfinale gegen Auxerre (mit dem Schweizer Grichting) ging mit 2 zu 0 Toren zu Gunsten von Marseille aus. Und wer schoss die beiden Tore? Genau, Gignac und Brandao. Die einzigartige OM-Fankultur feiert zwei neue Helden, nachdem Brandao vor der Winterpause noch beinahe nach Elba verbannt worden wäre...

Genau das ist Marseille. Steiler Aufstieg, tiefer Fall. Das zieht sich durch die Clubhistorie seit der Gründung im Jahre 1899. An welcher übrigens ein Schweizer nicht ganz "unschuldig" war, genau wie zu einem späteren Zeitpunkt mit Jean-Pierre Egger oder Robert Louis Dreyfus immer wieder Eidgenossen im OM-Boot sassen. Aber eben, das ewige Auf und Ab charakterisiert den Club aus der Mittelmeer-Metropole. Als ich Mitte der 90er Jahre in MRS gewohnt habe, da wurde man gerade zwangsrelegiert - als Champions League Sieger. Der nationale Meistertitel wurde OM wegen Bestechung aberkannt, den internationalen Titel durfte man behalten. Obwohl sich bis heute hartnäckige Gerüchte halten, die Mannschaft sei gegen Milan gedopt gewesen. Rudi Völler und Tony Cascarino brachten als ehemalige Spieler selber entsprechende Gerüchte in Umlauf. Überhaupt sieht man in Marseille gern die ganz grossen Namen im hellblauweissen Maillot. Ein paar Beispiele gefällig? Bitte sehr, schön nach Alphabet.

- Klaus Allofs
- Gunnar Andersson
- Fabien Barthez
- Franz Beckenbauer
- Laurent Blanc
- Alan Boksic
- Eric Cantona
- Djibril Cissé
- Marcel Desailly
- Didier Deschamps
- Didier Drogba
- Christophe Dugarry
- Kalle Förster
- Erik Gerets
- Raymond Goethals
- Andy Köpke
- Frank LeBoeuf
- Samir Nasri
- JPP
- Robert Pires
- Fabrizio Ravanelli
- Franck Ribéry
- Jean Tigana
- Rudi Völler
- Chris Waddle
- George Weah

Aus all diesen Spielern liesse sich auch locker eine Jahrhundertelf basteln. Nur, häufig hatten sie während ihrer Marseille-Zeit gerade keine Lust, waren verletzt oder noch vor dem grossen Durchbruch. Entsprechend ging in den 90er Jahren in Sachen Titel so ziemlich gar nichts. Erst 2006 durfte man wieder einen - immerhin - Vizemeister-Titel feiern und konnte sich international zeigen. Ich erinnere mich dabei gerne an die Auftritte in Bern gegen YB. Auch im neuen Jahrhundert gabs Skandälchen, so mussten ein paar Angestellte hinter Gitter, nachdem bekannt wurde, dass Sozialabgaben für Spieler nicht bezahlt wurden. Nun, um es kurz zu machen: erst im letzten Jahr kamen die sichtbaren Erfolge zurück. Gleich 3 Titel konnte man einheimsen und in der Champions League ist Marseille auch immer noch dabei - auch wenn mit Manchester United in der nächsten Runde ein grosser Brocken wartet.  


Leider liegt es für mich nicht wirklich drin, Woche für Woche nach Frankreich zu den Spielen zu fahren. Ein, zwei Partien live pro Jahr müssen da reichen, mit etwas Glück ist es bald wieder soweit!! Aber dank Teleclub/Canal +, kombiniert mit den Social Media-Plattformen wie Twitter oder Facebook, kommt auch in der eigenen Stube immer mal wieder eine Art Live-Feeling auf. Zudem lassen sich übers WWW Kontakte nach Marseille pflegen, was durchaus nützlich ist, wenn ich mal wieder inmitten des Commando Ultra ein Spiel schauen möchte... Nach Umfragen ist OM in Frankreich - mit grossem Abstand - immer noch der beliebteste Sportclub überhaupt, entsprechend findet man online viele gleichgesinnte Fans, die auch nicht Woche für Woche zu den Glücklichen gehören, die Einlass ins Vélo' gefunden haben. Überhaupt muss man, wenn man gaaaaaaanz ehrlich ist, ja zugeben, dass die OM-Fans entweder alles Masochisten sind oder dann unter manischen Depressionen leiden. Denn anders wäre dieses Wellental der Gefühle gar nicht auszuhalten. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Innerhalb weniger Tage oder gar Stunden ist in der Mittelmeer-Metropole alles möglich. Und weil heute nach der Final-Qualifikation einer der gute Tage ist ein kräftiges:
Allez l'OM, à la vie et à la mort!

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