15. August 2011

Schweizer und Tatort? Naja, geht so.

Ja, ich habe ihn auch geschaut gestern Abend. Aber der erste "Tatort" des Schweizer Fernsehen seit fast zehn Jahren stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Und die hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt. Der Film "Wunschdenken" mit Stefan Gubser als Kommissar Reto Flückiger musste auf Anordnung der neuen SF-Kulturchefin überarbeitet und verschoben werden. Den eigentlich für den 17. April geplanten Film von Markus Imboden zeigten das Erste, ORF und SF darum nun gestern Sonntag. Ganz ehrlich, ich fand den Film bis auf die letzten Minuten ziemlich langweilig, es ist eine Art Schweizer "CSI" geworden - ziemlich trashig und total mies vertont. Klar, man hätte den Krimi auf dem Schweizer Sender schauen können, da gabs 90 Minuten Mundart, aber ich wollte doch wissen, wie man den Deutschen unser Land verkauft. Und uff, 82 Millionen Menschen werden jetzt wohl denken, dass hier bei uns alle so komisch sprechen.


Das mit dem "CSI" bezieht sich übrigens darauf, dass die weibliche Hauptrolle von der US-amerikanischen "CSI"-Darstellerin Sofia Milos gespielt wird. Sie ist die Austauschpolizistin Abby Lanning aus Chicago und passt ins Ansichts-Karten-Luzern des Schweizer "Tatort" ungefähr so gut Käse-Fondue auf den Hamburger Fischmarkt.

Dass Frau Milos mit ihrer dunklen Lockenpracht durch den Schweizer Film von Markus Imboden stöckelt und noch dazu - wie alle anderen Darsteller! - grauenhaft synchronisiert wurde, ist am gewöhnungsbedürftig. Zu gewöhnungsbedürftig. Entsprechend haben wir uns auf dem Sofa dann auch vielmehr über die Dialekte lustig gemacht, als uns auf die Handlung konzentriert. Die Synchronisation ist aber teilweise so übel, dass man sich an US-Homeshopping Kanäle erinnert fühlt. Kurz, der Film ist ein guter Werbespot für den Tourismus-Ort Luzern. Kurt H. Illi häts gefreut. Die Schweizer Berge sieht man in zahlreichen Luzerner Stadt-Ansichten und vom See gabs das eine oder andere nette Bild.

Ansonsten war der Tatort von gestern Abend zwischenzeitlich herrlich unschweizerisch: Da gab es halbe Sex-Szenen zwischen dem Ermittler-Duo, da stürmte ein Sondereinsatzkommando eine Wohnung, da verweste eine Leiche in bestem "Seven"-Stil, da wurd viel und schnell gerannt, verfolgt und geschossen als wäre man beim NYPD und nicht bei der Kripo Luzern. Grüezi mitenand. Das ist alles ein bisschen dick aufgetragen, verleiht aber einen gewissen Trash-Charme.

Der Fall selbst ist zwar an den Haaren herbeigezogen - es geht um eine Wasserleiche und eine inszenierte Entführung eines Lokal-Politikers, die kein gutes Ende nimmt - aber damit bewegt man sich ja in bester "Tatort"-Drehbuch-Tradition. Einen Vorteil hatte der Schweizer Tatort dann aber doch noch: seit gestern muss ich in Deutschland meinen Namen nicht mehr erklären oder gar buchstabieren, dank Kommisssar RETO F. kennt nun jeder germanische TV-Junkie und Krimifreund meinen typisch schweizerischen Namen. So gesehen, mehr von Kommissar Reto Flückiger. Bitte.

Mit 6,8 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 21,1 Prozent beim Gesamtpublikum war der Schweizer "Tatort" zwar der knapp schwächste des Jahres, doch er lief auch inmitten einer Wiederholungsstrecke während der Urlaubszeit und ohne bereits eingeführte Kommissare, die als Publikumsmagnet hätten dienen können. Zufrieden sein darf man bei der ARD also trotzdem.

1 Kommentar:

koenich hat gesagt…

So habe ich den Schweizer tatort auch empfunden, herrlich schöne Bilder aus Luzern, etwas überspannte Story, und grauselig Synchronisiert. Grüße aus dem Ruhrgebiet
der Koenich