10. November 2011

Heute vor 2 Jahren starb Robert Enke

Ja, die Zeit rennt. Schon 2 Jahre ist es am heutigen Donnerstag her, seit sich der Torwart von Hannover 96, Robert Enke, das Leben genommen hat. Für mich bleibt dieser Tag wohl für immer verbunden mit einem riesigen medialen Aufschrei. Die Besucherzahlen in meinem Blog sind explodiert, an einem Tag hatte ich über 30'000 Besucher, Monsieur Fischer wurde in unzähligen Zeitungen zitiert, es gab sogar ein live Interview beim TV Sender n-TV. Alles nur, weil ich offen darüber geschrieben habe, wie es ist mit einem BurnOut zu leben und dass wir - die Gesellschaft - schuld sind am Tod von Robert Enke. Die Betroffenheit damals war ach so gross. Doch, was ist nach 2 Jahren geblieben? Hat sich etwas verändert betreffend der Berichterstattung rund um den Fussball - im Zusammenhang mit Themen wie Depression? Der Medienservice Meedia hat sich mit Rainer Schäfer, ehemaliger Chefredakteur des Fussball-Magazins "Rund" unterhalten. Zusammen mit dem ehemaligen Profi des FC St. Pauli, Andreas Biermann, hat das Buch "Rote Karte Depression" geschrieben, in dem der Fussballer offen über seine Krankheit spricht.


Nehmen die meisten Fußball-Profis überhaupt wahr, was über sie täglich in der Zeitung steht?
Ich weiß von etlichen Spielern, dass sie schon sehr genau verfolgen, was über sie in den Medien gesagt und geschrieben wird. Es sind eher die älteren Profis, die es sich abgewöhnt haben, Zeitung zu lesen.

Haben dann auch die Benotungen einen großen Einfluss auf die Profis, wie es der Verzicht auf Zensuren einiger Zeitungen nach dem Tod von Robert Enke nahe legte?
Ein Profi wird nicht deshalb depressiv, weil er dreimal hintereinander eine schlechte Benotung bekommen hat. Als problematischer sehe ich da die extrem wechselhafte Wahrnehmung von Profis und ihrer Leistungen in der Öffentlichkeit. In der einen Woche klopft ihm eine ganze Stadt auf die Schulter. Nur sieben Tage später ist er der absolute Versager. Diese emotionale Achterbahnfahrt ist es, die auch vermeintlich harten Kerlen zu schaffen macht, obwohl sie in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals als ein wenig schlicht gelten.

Fußballer sind also keinesfalls so einfach gestrickt, dass sie nicht auch unter starken emotionalen Druck stehen können?
Das ist richtig. Holger Stanislawski hat erzählt, dass viele Fußballer seiner Erfahrung nach enorm kritikresistent seien, aber im Inneren ganz sensible Menschen. Darüber hinaus: Keiner wird dumm geboren. Bei Profi-Fußballern ist es vielmehr so, dass sie immer stärker den Bezug zur realen Welt verlieren, weil ihnen zuviel abgenommen wird. Es gibt Fälle, da kümmert sich der Verein sogar darum, dass der Hund Gassi geführt wird, während das Herrchen trainiert. Die soziale Intelligenz verkümmert, im Grunde wird den Fußballern so die Alltagstauglichkeit abtrainiert. Das hat auch Auswirkungen auf die emotionale Konstitution.

Einige Sportredaktionen, auch die Bild, kündigten nach der Enke-Tragödie an, künftig mit der Vergabe von schlechten Noten vorsichtiger umzugehen. Hat sich in den zwei Jahren seit der Tragödie etwas nachhaltig in der Vergabepraxis verändert?
Nein, wenn Katastrophen passieren, hört man überall die bekannte Betroffenheitsrhetorik, nach wenigen Tagen sind die guten Vorsätze vergessen. Insgesamt hat die mediale Hysterie in den vergangenen Jahren sogar deutlich zugenommen, gerade von einigen Online-Medien wird heute viel schneller und härter draufgehauen, im Kampf um die besten Klickzahlen.

Gibt es eine Chance, dass sich diese heißgelaufene Berichterstattung noch einmal beruhigt?
Ich hoffe, glaube es aber nicht. Es ist naiv zu glauben, dass eine Art Selbstverpflichtung der Medien funktionieren könnte. Es wäre aber schon viel erreicht, wenn alle ein wenig Druck aus der Berichterstattung nehmen könnten, wenn Kritik weniger polemisch und diskreditierend geäußert würde.

Wenn Sie einen Wunsch an die Sport-Journalisten hätten,....... dann würde ich mir wünschen, dass depressive Sportler oder von Burnout betroffene Profis und Trainer eine faire Chance bekommen würden. Es doch so: Als Ralf Rangnick wegen seiner Krankheit seinen Trainerposten bei Schalke aufgab, gratulierten ihm alle zu diesem "mutigen Schritt" und wünschten ihm "viel Glück". Das klingt mehr nach Verabschiedung, als nach Zuversicht, dass er noch einmal zurück kommt. Andreas Biermann, der ehemalige Profi des FC St. Pauli, beispielsweise ist ganz offen mit seiner Depression umgegangen. Die Folge ist, dass ihn nicht einmal ein Club aus der dritten Liga einstellen wollte. Depression wird immer noch als Schwäche angesehen, obwohl diese Erkrankung gut zu therapieren ist und Betroffene wieder das alte Leistungsniveau erreichen können. Das wird aber nicht nur im Fußball hartnäckig ausgeblendet. Bei Rangnick, dem Hannover-Torhüter Markus Miller oder Biermann müssen Medien und Vereinsfunktionäre Taten sprechen lassen, statt Sonntagsreden zu schwingen. Statt heuchlerische Phasen zu äußern sollte man ihnen eine neue und ehrliche Chance geben.



Quelle: Meedia.de

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